Communiqué zur Umwandlung der ProBasket Tübingen GmbH in eine AG

Hallo Paul-Horn Arena!

Hinter dem Verein und uns als Gruppe liegen turbulente Tage. Als wären 2x Auswärts innerhalb von 4 Tagen (davon einmal mittwochs) nicht genug, flatterte uns am 2. Oktober völlig überraschend und ohne Vorwarnung die Meldung über fundamentale Veränderungen in der Struktur des Tübinger Profi-Basketballs ins Haus: Die Tigers werden in eine AG umgewandelt, man wolle sich „neu und zukunftssicher im wirtschaftlichen Bereich aufstellen“[1]. Die veranlasste Pressekonferenz bot entsprechend euphorische Gesichter und Stimmen allenthalben, natürlich war die Rede vom Wiederaufstieg [2]. Den meisten Fans der Tübinger Basketballer dürfte diese Nachricht und die genauen Details der wirtschaftlichen Organisation herzlichst egal sein, bei anderen rennen die Verantwortlichen mit diesem Wording nach Jahren der sportlichen Dürreperiode wahrscheinlich sogar offene Türen ein. Für uns als Supporters Tübingen und One City One Club One Love dagegen ist die Nachricht und der aktuelle Stand der Dinge ein absoluter Tiefpunkt und ein Schlag ins Gesicht. Die Gründe dafür wollen wir in diesem Text erläutern.


Um zu verstehen, wo unsere Kritik ansetzt, wollen wir uns zunächst anschauen, worin eigentlich die Unterschiede einer GmbH und einer AG liegen: Beiden ist gemein, dass sie eine Ausgliederung der Profimannschaft aus dem Stammverein SV03 bedeuten. Ein Umstand, der bei den Tübinger Gegebenheiten durchaus Sinn macht, um den auf Breitensport ausgelegten Stammverein im Fall der Fälle vor wirtschaftlichem Schaden durch die Profiabteilung zu schützen. Beide Rechtsformen stellen eine Kapitalgesellschaft dar, der wesentliche Unterschied liegt vor allem im Gesellschaftsvertrag. Bei der jetzigen Entscheidung mehr als einen Gesellschafter (bisher der SV03) ins Boot zu holen macht eine Umwandlung zur AG formal also durchaus Sinn.


Die ProBasket Tübingen GmbH wird nun in eine AG umgewandelt, deren Grundkapital sich auf 250.000€ beläuft, genau die Summe, die für einen Lizenzerteilung in der BBL benötigt wird [3]. 100.000€ davon kommen dabei vom SV03 Tübingen, das Grundkapital der alten GmbH. Wichtig ist auch, dass die alte GmbH, wie bei Ausgliederungen von Sportmannschaften üblich, nur einen einzigen Gesellschafter hatte: den SV03 Tübingen. Stattdessen Verteilen sich nun die Anteile an der neuen AG: Die restlichen 150.000€ zum Grundkapital steuern jeweils in äquivalenten Anteilen zu 50.000€ zwei Unternehmen und eine Investorengruppe bei (ebenfalls bestehend aus Unternehmen, sowie zwei Einzelpersonen).


Man holt sich mit dem Versprechen von sportlichem Glanz und Gloria Anteilseigner ins Boot, anscheinend in dem Glauben so mehr Sponsoren anzulocken und den Weg in die Erste Liga zu ebnen. In der öffentlichen Debatte wird bisher nicht thematisiert, dass laut BBL-Lizenzstatut eine weitere finazielle Hürde zu nehmen ist. Denn neben den 250.000 € Eigenkapital muss jeder Club mindestens 3.000.000 € Geschäftskapital vorweisen [3]. Woher dieses Geld so plötzlich kommen soll weiß noch niemand, diskutiert wird ein neuer Namenssponsor. Um zu sehen wie gut diese Fokussierung auf das schnelle Geld und den damit quasi einkalkulierten sportlichen Erfolg für andere Vereine funktioniert, braucht man sich nicht allzu weit von Tübingen
entfernen. Der VfB Stuttgart verkaufte 2017 11,25% seiner Anteile für 41,5 Millionen Euro. Das Präsidium um Wolfgang Dietrich warb mit Königstransfers und Europa, um dann eine Saison solide im Mittelfeld rumzudümpeln und im Jahr darauf sang- und klanglos abzusteigen. Und auch der Blick auf den Basketball bremst die Euphorie: Die letzte AG-Gründung im Deutschen Basketball endete in Trier 2015 nach einer Kapitalerhöhung um 200.000 € mit einer krachenden Insolvenz und dem Lizenzverlust nach 25 Jähriger Bundesliga-Geschichte [4]. Na dann mal volle Fahrt voraus.


Zurück nach Tübingen: Der Vorstand der Tübinger AG besteht nun aus dem bisherigen Geschäftsführer der GmbH Robert Wintermantel, der weiterhin für das operative sportliche Geschäft zuständig bleiben soll. Zusätzlich zu Wintermantel im Vorstand: Prof. Dr. Michael Bamberg, Leitender Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums Tübingen und schon länger als Mitglied im Verwaltungsbeirat im Dunstkreis der Tigers aktiv. Einen Posten, den er zwischenzeitlich nach der Entlassung von Tyron McCoy medienwirksam hinwarf und mit Forderungen nach einer Änderung der Vereinsstruktur auffiel [5].


Die Dritte im Bunde ist Dr. Dr. Saskia Biskup, wie Bamberg erfolgreiche Wissenschaftlerin/Ärztin und Gründerin des Diagnostikunternehmens CeGaT. Basketballtechnisch ein recht unbeschriebenes Blatt, die Vermutung liegt nahe, dass der Kontakt und Ihr Interesse über das UKT und Prof. Bamberg zustande kamen. Beide sitzen übrigens auch zusammen im Beirat des Vereins „ein Saal für Tübingen e.V.“[6]. Ein Schelm, wer jetzt an die Entscheidungshoheit im Vorstand denkt.


Im Gegensatz zu Biskup mischte Bamberg sich in der Vergangenheit immer wieder öffentlich in das sportliche Geschehen ein. So forderte er zum Beispiel im Januar 2018 eine sehr explizite Spielerneuverpflichtung. Was hat der Leiter des Tübinger Uniklinikums zu solchen sportlichen Entscheidungen beizutragen? Richtig, eigentlich nichts. Robert Wintermantel stellt zwar das einzige hauptamtliche Mitglied des Vorstands dar und ist formal für sportliche Belange zuständig. Allerdings haben alle Vorstandsmitglieder das gleiche Stimmrecht. Hier wäre im Zweifel also Wintermantel als sportlicher Experte in der Unterzahl.

Im Tagblatt-Videointerview meint Bamberg: „Wir haben klare Aufgabenteilung, aber wir sprechen alles miteinander gemeinsam ab und Neueinkäufe von Spielern oder auch Verpflichtung vom Trainer – all das wird natürlich auch eng miteinander besprochen und im Aufsichtsrat dann auch diskutiert werden.“ Im angesprochenen Aufsichtsrat geht es ähnlich weiter: Neben Dr. Günter Volck und Nicole Luther vom SV03 lassen sich alle weiteren fünf Mitglieder entweder sogenannten „Premiumpartnern“ oder eben Anteilseignern zuordnen. Die beteiligten Unternehmen mögen zwar schon lange im Umfeld der Tigers aktiv sein, aber auch hier zieht die sportliche Expertise gegenüber der Wirtschaft im Zweifel den Kürzeren.


Die Spitze dieses Eisbergs der Machtlosigkeit bildet aber die untragbare Tatsache, dass der Verein lediglich 40% der Anteile an der AG hält. Wir möchten an jeden in der Halle appellieren, sich zu vergegenwärtigen was das eigentlich heißt. Der Verein hat defacto die Macht verloren die Geschicke der Tigers Tübingen zu lenken. Zwar gibt es ein Vetorecht bei Satzungsänderungen, bei Entscheidungen für das Tagesgeschäft ist dieses Privileg aber herzlich nutzlos. 40% sind eben 40%. Damit gibt es die Tigers wie wir sie kennen quasi nicht mehr. Wir selbst sehen uns als Fans und aktive Unterstützerinnen dieses Vereins und verspüren eine tiefe Verwurzelung mit ihm. Das Vereinsgelände ist für uns zum zentralen Treffpunkt geworden. Fan sein beinhaltet für uns nicht nur den Besuch der Profimannschaft, deren Gesellschafter immerhin allein der Verein war. Es beinhaltet auch regelmäßige Besuche der Regionalligamannschaft, der Jugendmannschaften, gelegentlich auch bei Fußballspielen.

Wir sind nicht Fans eines Unternehmens oder anonymer Privatpersonen. Wir sind Fans des SV03 Tübingen.

Wir sind immer noch dabei, die Neuigkeiten zu verarbeiten und einen Weg zu suchen, mit der Situation umzugehen. Wir haben uns allerdings dagegen entschieden, beleidigt einfach aufzugeben. Stattdessen wollen wir unsere Meinung in die Halle tragen. Als erste Maßnahme werden wir davon absehen, unsere Fanmaterialen weiter zu nutzten. Im verbalen Support werden wir uns ausschließlich auf den SV03 beziehen. Unsere Zaunfahnen hängen als Zeichen des Protests verkehrt herum.

[1] https://tigers-tuebingen.de
[2] https://www.tagblatt.de
[3] BBL Lizenz-Statuten 19/20
[4] https://www.volksfreund.de
[5] https://www.neckar-chronik.de
[6] https://ein-saal-fuer-tuebingen.de